Nach einem gemeinsamen Frühstück bricht die Gruppe neugierig zur ersten Wanderung auf. Mit der Bahn fahren wir nach Friedrichshagen, wo unsere Route um den Müggelsee mit spannenden Podcasts auf den Ohren beginnt. Zwischendurch und während der Wanderung werden die Inhalte der Podcasts in Kleingruppen oder auch in der großen Runde reflektiert und diskutiert. Einen kleinen Teil der Strecke überqueren wir mit der Fähre.
Von dort haben wir eine wunderschöne Aussicht:
Zum Mittagsessen kehren wir ein in ein italienisches Restaurant mit leckerem Essen und Blick aufs Wasser ein. Frisch gestärkt starten wir in die zweite Etappe zur Umrundung des Müggelsees. Schließlich gelangen wir wieder nach Friedrichshagen, von wo wir in unsere Unterkunft zurückfahren. Nach einem kurzen Aufenthalt dort, essen wir gemeinsam in einem leckeren indischen Restaurant zu Abend. Nun sind wir bereit für den ersten Dialog-Abend und gespannt, welche Positionen die Referent:innen vertreten werden. Das heutige Thema ist die Altersvorsorge von Abgeordneten.
An den Abenden der Walkshops finden traditionell zweistündige Diskussionsveranstaltungen statt („Dialoge-Abende“). In diesem öffentlich zugänglichen Format treten die eingeladenen Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik oder Zivilgesellschaft nicht nur untereinander, sondern auch mit den Teilnehmer:innen in den Dialog.
Das Podium des ersten Dialogabends (26.04.23) bilden:
• Matthias Birkwald (Mitglied des Bundestags, Die Linke)
• Dr. Samuel Beuttler-Bohn (Sozialverband VdK)
• Prof. Dr. Felix Welti (Richter am Bundessozialgericht) – virtuell zugeschaltet
• Tobias Kohlstruck (Stiftung Marktwirtschaft) – er sprang glücklicherweise anstelle von M. Mordhorst, MdB der FDP, ein
Moderiert wird die Runde von Jörg Tremmel, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.
Vor Beginn der Diskussion, werden zwei Besonderheiten des Formats erläutert: das Fish-Bowl-Verfahren und der „Moment mal“- Einspruch. Bei letzterem dürfen die Teilnehmer:innen in jederzeit die Runde rufen, wenn sie eine Verständnisfrage haben. Die Diskussion wird daraufhin umgehend unterbrochen, um die Frage zu beantworten. So wird gewährleistet, dass jede:r der Debatte folgen kann und sie nicht über längere Phasen zu «technisch» wird. Beim Fish-Bowl-Verfahren sitzen die Referent:innen an einem Tisch, die weiteren Teilnehmer:innen platzieren sich um den Tisch herum und verfolgen die Diskussion. Neben den Referent:innen steht ein leerer Stuhl, der für Teilnehmer:innen reserviert ist, die sich mit einer Frage oder einem Beitrag an die Referent:innen richten möchten. Wurde die Frage des/der Teilnehmers/Teilnehmerin beantwortet oder ausreichend auf dessen Beitrag eingegangen, so setzt er/sie sich wieder auf seinen/ihren ursprünglichen Platz. Nacheinander erhalten die Teilnehmer:innen so die Möglichkeit, Teil des Podiums zu sein, ihre Fragen zu stellen und die Diskussion zu lenken. Nach Erläuterung der Dikussionsregeln erfolgte der thematische Einstieg in die Altersvorsorge von Bundestagsabgeordneten. Diese ist beamtenanalog organisiert, d.h. sie wird aus Steuermitteln finanziert und Abgeordnete zahlen, ebenso wie Beamt:innen, im Normalfall - d.h. wenn sie es nicht freiwillig tun - nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Abgeordnete sind derzeit also vom System der gesetzlichen Rentenversicherung abgekoppelt und nicht von den Gesetzen zur Altersvorsorge betroffen, die sie im Bundestag für die Bevölkerung beschließen.
Insgesamt ist es eine spannende und facettenreiche Diskussion. Die Referent:innen sind sich einig, dass Abgeordnete in der Zukunft in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten. Diese Einbeziehung wäre nicht nur symbolisch wirkungsvoll, sondern hätte vor allem auch den Vorteil, dass Abgeordnete von den Rentengesetzen, die sie machen, selbst betroffen wären. Dies würde sich schon deshalb positiv auf die Gesetzgebung auswirken, weil Abgeordnete dann unmittelbar mit der Komplexität und Intransparenz des heutigen Rentensystems konfrontiert würden, wenn sie ihren ersten Rentenbescheid in den eigenen Händen halten würden.
Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eines neuen Altersvorsorgemodells für Abgeordnete könnten die beiden Nachbarländer Österreich und Schweiz Vorbild sein. Allerdings könnte auch ein Eigenvorsorgebeitrag, wie ihn der Landtag von Schleswig-Holstein beschlossen hat, ein guter Weg sein, weil hier das Prinzip der periodengleichen Finanzierung gewahrt bleibt. Eine Generation, die sich ein großes und teures Parlament leistet, würde die Kosten dafür (inklusive Altersversorgung dieser Parlamentarier!) selbst tragen und die finanziellen Lasten dafür nicht in die Zukunft verschieben.
Daran anschließend entwickelt sich eine fesselnde und facettenreiche Diskussion. Auch von dem „Moment-mal“-Einspruch wird Gebrauch gemacht, sodass elementare Begriffe geklärt werden können. Beispielsweise wird erörtert, was mit der Bezeichnung, “das Rentensystem sei historisch gewachsen“ gemeint ist.
Abgeordnete unterscheiden sich von vielen anderen Berufsgruppen dadurch, dass sie nicht weisungsgebunden, nicht abhängig beschäftigt und nicht selbstständig sind. Aber für die allermeisten Abgeordneten ist die Phase im Parlament nur eine kleine Phase des gesamten berufstätigen Arbeitslebens, denn durchschnittlich ist ein Abgeordneter zwei Legislaturperioden, also 8-10 Jahre seines Lebens, in einem Parlament.
Das finale Ziel des VdK-Sozialverband Deutschland, welcher durch Herrn Beuttler-Bohn vertreten wurde, ist eine Erwerbstätigenversicherung. Von Herrn Welti und Herrn Birkwald wird zunächst erklärt, was der Unterschied zu einer Bürgerversicherung ist: bei letzterer werden auch Zins- und Mieteinnahmen verbeitragt (also in die GRV einbezogen). Wie eine zukünftige Erwerbstätigenversicherung (die auf dem Podium nur von Herrn Kohlstruck abgelehnt wurde) gestaltet werden könnte, wird im weiteren Verlauf anhand verschiedener Modelle und Beispiele – auch im Vergleich mit anderen Berufsgruppen oder Ländern – besprochen. Dabei kommen viele Fragen auf: Wie ist die Altersvorsorge für Beamt:innen und Selbstständige organisiert? Müssen alle Berufsgruppen, die heute verbeamtet sind, wirklich verbeamtet sein? Wäre es eine Möglichkeit, die Beitragsbemessungsgrenze an- oder gar aufzuheben? Wie kann man für Menschen, die schon früher in Erwerbsminderungsrente gehen, eine soziale Sicherung garantieren?
Insgesamt ist es eine sehr gelungene und anregende Dialogveranstaltung, die nicht mit dem offiziellen Veranstaltungsende abschließt. Denn nach dem offiziellen Ende stehen Teilnehmende und Referenten länger zusammen, um die Thematik und Einzelfragen, vor allem in Bezug auf Gerechtigkeitsfragen, weiterzudiskutieren.
Gefördert durch die Stiftung Apfelbaum
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