Der Tag beginnt diesmal nicht mit einer Wanderung, denn heute werden die Lernorte besucht. Als erstes fahren wir mit der S-Bahn zum Bundesgesundheitsministerium. Dort erfahren wir in einem fachkundigen Informationsgespräch wie das Bundesgesundheitsministerium aufgebaut ist, welche Aufgaben es hat und wie es arbeitet. Wir lernen ebenso etwas zu der Geschichte des Hauses und die Grundzüge des deutschen Gesundheitssystems werden erläutert. Daraus können wir auch für den individuellen Bereich wichtige Hinweise mitnehmen. Beispielsweise, dass sich jeder bei der UPD (Unabhängige Patientenberatung Deutschland) kostenfrei beraten lassen kann, wenn etwa ein Antrag von der Krankenkasse abgelehnt wurde, ob es sich lohnt Widerspruch einzulegen oder wenn man Fragen zu Behandlungen, Medikamenten oder Fachärzt:innen hat. Die Teilnehmer:innen hören aufmerksam zu und stellen auch immer wieder Rückfragen oder sprechen Themenbereiche an, die sie besonders interessieren, sodass am Ende die Zeit sehr schnell vergeht. Obwohl wir noch lange weiterreden könnten, müssen wir aufbrechen, um unseren Zeitplan einhalten zu können.

Zum Mittagessen gibt es leckere asiatische Speisen in einem Restaurant in der Nähe.

Unsere nächste Station ist das Bundesarbeitsministerium. Dort halten die Referenten Mario Scharf und Dr. Leon Bucher einen einleitenden Vortrag zur gesetzlichen Rentenversicherung im System der Alterssicherung. Davon ausgehend informiert uns der Vortrag auch über Herausforderungen, die auf die Rentenversicherung zukommen. Diese kann man unter die drei Kategorien Demografischer Wandel, Ökonomische Entwicklung und Wandel der Arbeitswelt subsumieren. Stärkt man die Erwerbstätigkeit, wirkt sich das auch positiv auf die Beiträge, welche in die gesetzliche Rentenversicherung fließen, aus. Daher sprechen wir auch über dahingehende Ansatzpunkte:
• Erwerbsbeteiligung von Frauen erleichtern
• Ausbildungslosigkeit abbauen
• Flexible Übergänge im Alter stärken, längeres Erwerbsleben
• Arbeit für von Menschen mit Behinderung erschließen
• Arbeitskräfte- & Facharbeitskräftezuwanderung
Anschließend entfaltet sich eine Diskussionsrunde mit den Teilnehmer:innen.

Zum Schluss besuchen wir die Deutsche Rentenversicherung. Hier werden wir herzlich mit Kaffee und Kuchen empfangen. Es folgt eine sehr informative Präsentation von Mitarbeiter:innen der DRV. Den größten Teil übernimmt Herr Dr. Reinhold Thiede zu den Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Alterssicherungssysteme für jüngere Menschen und zukünftige Generationen. Mithilfe von Diagrammen und Grafiken verdeutlicht er historische Entwicklungen und Prognosen. Herr Thiede vertritt die Position, dass das Rentensystem in der Vergangenheit ähnliche Belastungen erlebt hat, wie sie jetzt wieder durch den demografischen Wandel entstehen. Er sieht das als eine Chance aus der Vergangenheit zu lernen und zu analysieren, wie der Belastungsanstieg damals bewältigt werden konnte, ohne Rentenbezieher:innen und Beitragszahler:innen zu überlasten. Dabei muss geprüft werden, welche der damaligen Ansätze/Instrumente heute noch wirken können und was angepasst werden muss. Das heißt, die Rahmenbedingungen und das Rentenrecht müssen evidenzbasiert angepasst werden. Dr. Thiede sieht das Rentensystem prinzipiell als solide an, aber nur dann, wenn man es immer wieder an sich ändernde Bedingungen anpasst. Die Teilnehmer:innen stellen während des Vortrags Fragen und erörtern auch nach Ende des Vortrags verschiedene Aspekte.

Nach all den aufschlussreichen Gesprächen und neuen Informationen können wir eine Stärkung gebrauchen. In unserer Jugendherberge essen wir köstliche Bowls, die wir zuvor von einem Restaurant mitgenommen haben.

Um 19:00 Uhr beginnt der letzte Dialog-Abend „Gesundheit und Pflege“

Das Podium bilden:
•    Prof. Dr. Denny Paulicke, Mitglied der Denkschmiede Gesundheit, Prof. an der Akkon Hochschule Berlin
•    Ates Gürpinar, Mitglied des Bundestags, Die Linke, Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik
•    Prof. Dr. Martina Brandt, Professorin für Sozialstruktur und Soziologie alternder Gesellschaften an der TU Dortmund - erfreulicherweise kurzfristig eingesprungen für Dr. Martina Lizarazo López, die leider absagen musste

Die Moderation übernimmt Luise Roither, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen

Auch für das Gesundheits- und Pflegesystem stellen sich mit dem demografischen Wandel große Herausforderungen und schon bestehende Probleme werden weiter verschärft. Die Diskussion befasst sich mit den Einschätzungen der Expert:innen mit Blick auf diese Herausforderungen.

Ates Gürpinar vertritt die Meinung, das im Koalitionsvertrag schon Probleme erkannt wurden, aber im aktuellen Entwurf der Pflegereform davon wenig zu sehen ist. Es fehlt generell eine ausreichende Finanzierung. Er sieht auch andere Herausforderungen, z.B. die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals, aber solange an der Finanzierung nichts geändert wird, kann man auch diese nicht angehen und es bleibt eine Scheindebatte.

Prof. Dr. Brandt sieht das Altern erstmal als eine große Errungenschaft der Menschheit, denn es ist erfreulich, dass immer mehr Menschen länger leben. Wenn Menschen länger gesund altern, besteht weniger Abhängigkeit von der Pflege und teilweise stehen sie dann auch noch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, diesen Ansatzpunkt darf man aber nicht überstrapazieren. Mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft muss sozialpolitisch umgegangen werden. Soziale Ungleichheiten sind da und die müssen bekämpft werden.

Ein weiter Aspekt des Dialogs bezieht sich auf das Verhältnis von Jung und Alt. Prof. Dr. Brandt verweist darauf, dass das Altern alle betrifft und es im Moment zu wenig Bewusstsein gibt, was Altern bedeutet. Die ganze Gesellschaft ist betroffen, nicht nur eine Gruppe. Insgesamt vertritt sie die Position, dass soziale Ungleichheit für alle schlecht ist, auch für die vermeintlichen Profiteure der Ungleichheit. Die soziale Ungleichheit schadet der Gesellschaft insgesamt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gesprächs sind die Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals, die Ausbildung der Pflegekräfte und die Frage welche Rolle die Digitalisierung bei all dem spielen könnte.

Prof. Dr. Paulicke sieht im Vergleich mit anderen Ländern einen enormen Nachholbedarf bei Deutschland. Ein Unterschied ist z.B., dass Pflegefachkräfte und Mediziner:innen in anderen Ländern gemeinsam ausgebildet werden. Er macht deutlich, Gesundheit und Bildung kann nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Die jungen Generationen müssen jetzt empowert werden, damit wir den Herausforderungen angemessen begegnen zu können. Prof. Dr. Paulicke hält eine Akademisierung der Pflege für einen sinnvollen Ansatz.

Daran schließt die Frage an, wie die generalistische Pflegeausbildung betrachtet wird.

Prof. Dr. Paulicke macht darauf aufmerksam, dass Deutschland eine Ausnahme darstellt, indem die Ausbildung nicht akademisch ist. Es gibt zudem keine Aufstiegschancen. Er fügt hinzu, dass wir in unseren Debatten immer nur quantitativen Mangel sprechen, aber nicht über Qualität. Er hält es für einen Trugschluss, Theorie und Praxis trennen zu können. Beides muss zusammengedacht werden. Akademisierte Pflege sollte auch am Bett stattfinden. Seiner Meinung nach fehlt im Moment ein Rahmen, in dem die (zunehmende) Komplexität des Berufs reflektiert werden kann und gleichzeitig die Praxis nicht zu kurz kommt. Denn die Praxis ist das Ergebnis des Nachdenkens.

Erneut kommt die Frage nach den finanziellen Mitteln auf. Bei Befragungen von Pflegefachkräften kommt Geld ja oft nicht an erster Stelle, sondern Arbeitsbedingungen oder Anerkennung.

Ates Gürpinar vertritt den Standpunkt, dass wir dabei trotzdem über Geld sprechen müssen, denn für bessere Arbeitsbedingungen braucht es beispielsweise mehr Personal und das kostet ja auch Geld. Im weiteren Verlauf des Gesprächs geht er auch auf die Privatisierung des Gesundheitswesens ein, was er als ein großes Problem ansieht. Mittlerweile würde man z.B. merken, dass die Fallpauschalen nicht funktionieren. Es werde aber im Gesamten immer noch zu wenig finanziert und zu wenig getan für das Gesundheitswesen.

Prof. Dr. Paulicke sieht zudem die Notwendigkeit von neuen Konzepten, Prävention etc. im Gesundheitswesen.

Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Verbesserung des Gesundheitswesens ist außerdem das Thema Geschlechtergerechtigkeit. Darin sind sich die Podiumsteilnehmer:innen einig, dass Geschlechterungerechtigkeit bekämpft werden muss, damit es allen besser geht.

Die hier beschriebenen Standpunkte und Aspekte, geben das Gespräch nicht vollständig wieder und sollen nur einen Einblick in die gesamte Veranstaltung bieten.

Wieder geht ein gelungener Dialog zu Ende. Teilweise tauschen sich Teilnehmer:innen und Referent:innen noch weiter aus. Danach gehen die Teilnehmer:innen auf ihre Zimmer oder ziehen noch ein bisschen durch Berlin.

 

Gefördert durch die Stiftung Apfelbaum

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