Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Der Staat wird zu Generationengerechtigkeit verpflichtet

 

05.05.2021, der Vorstand

 

Das bahnbrechende Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 24.3.2021 erklärt erstmalig einen konkreten Verstoß des Gesetzgebers gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit für verfassungswidrig (1, 2). Dieser zukunftsweisende Richter*innenspruch wird das Verständnis von der Rolle der Generationengerechtigkeit in Politik und Gesellschaft verändern. Das Urteil verdeutlicht, dass beim Klimaschutz zukünftige Generationen nicht in Vergessenheit geraten dürfen, da es unzulässig ist unnötig Lasten auf nachfolgende Generationen zu verschieben und somit ihre Freiheitsrechte einzuschränken.

Wir bei der Stiftung freuen uns natürlich sehr über das Urteil, denn dieser Beschluss ist ein monumentaler Sprung in die richtige Richtung – nicht nur für eine generationengerechte Klimapolitik.

 

Generationengerechtigkeit und Klimapolitik sind eng miteinander verflochten

 

Die starke Orientierung der Richter*innen an Art. 20 a GG („[d]er Staat (…) [schützt] auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere“), ist präzedenzlos. SRzG-Botschafter Danyal Bayaz hält das Urteil sowohl für „bestechend logisch“ als auch für „revolutionär“, denn es wurde „nichts weniger getan, als den Freiheitsbegriff neu zu deuten.“ Die Freiheit der heute lebenden Generationen wird durch die Freiheit künftiger Generationen begrenzt, wir dürfen heute nicht länger auf Kosten von morgen leben.

In der Bewältigung der Klimakrise wird der Generationenkonflikt besonders deutlich. Da das Klimaschutzgesetz keinen klaren Pfad aufzeigt, wie der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5°C begrenzt und Treibhausgasneutralität bis 2050 erreicht werden kann, ist es verfassungswidrig. Die Planung geht nur bis ins Jahr 2030, für junge und zukünftige Generationen ist dies zu kurz gedacht. Folglich sieht das Bundesverfassungsgericht die zukünftigen Freiheitsrechte der Kläger*innen verletzt (2).

 

CO2-Budget zentral für Generationengerechtigkeit

 

Anna Braam, Sprecherin der SRzG, befürwortet, dass nun auch das „CO2-Budget“ mit in die Abwägung der Richter*innen eingeflossen ist: „Diese Rechnung hat der Gesetzgeber bislang immer vermieden, wenn es um Klimapolitik und Emissionsziele ging, dabei ist die Frage nach dem Rest-CO2-Budget ganz zentral für den Handlungskorridor unserer Zeit: Wie viel dürfen wir überhaupt noch ausstoßen, wenn wir das 1,5°C- Ziel erreichen wollen?“ Während das CO2-Lebensbudget einer im Jahr 1950 in Deutschland geborenen Person bei etwa 950 Tonnen liegt, hat eine 2017 geborene Person nur etwa 11 Prozent (etwa 103 Tonnen) dieses Budgets für ihr Leben zur Verfügung, soll das 1,5°C-Ziel erreicht werden (3). Diese Zahlen unterstreichen, wie zentral das Prinzip der Generationengerechtigkeit in klimapolitischen Erwägungen sein sollte.

 

Die Arbeit der SRzG im Kampf für Generationengerechtigkeit zahlt sich aus

 

Seit über 20 Jahren kämpft die SRzG für Generationengerechtigkeit und hat dabei zahlreiche Vorschläge entwickelt, wie Politik und Gesellschaft generationengerechter werden können. Im Pariser Klimaabkommen wurde das Prinzip der Generationengerechtigkeit unter Mitwirkung SRzG-Delegierter aufgenommen, die Konsequenz daraus ist nun das Urteil des BVerfG. Die SRzG fordert, den Impuls des BVerfG-Urteils aufzunehmen und weiterzudenken: In ihrem Klima-Positionspapier schlägt die SRzG zahlreiche Maßnahmen vor, wie die deutsche und internationale Klimapolitik wirklich generationengerecht gemacht werden kann – beispielsweise durch den deutschlandweiten Ausbau und vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energien bis 2030.

Aber auch in Politikfeldern wie Rente, Künstliche Intelligenz, Gesundheit, Pandemiebekämpfung und Bildung identifiziert die SRzG in ihren Analysen dringenden Handlungsbedarf. Um die deutsche Demokratie auch strukturell generationengerechter zu machen, schlägt sie vor, vorhandene Nachhaltigkeitsinstitutionen zu reformieren und neue innovative Institutionen zu schaffen, die die Kurzsichtigkeit der Politik reduzieren. Auch das Wahlrecht und die Parteistrukturen betrachtet die SRzG als reformbedürftig, da sie die junge Generation nicht hinreichend berücksichtigen. Eine bundesweite Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wäre ein erster Schritt, langfristig sollte die Wahlaltersgrenze abgeschafft und ein Wahlrecht qua Eintragung etabliert werden.
 

Quellen:

(1) BVerfG (2021). Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 -, Rn. 1-270. Zuletzt aufgerufen am 05.05.2021 unter http://www.bverfg.de/e/rs20210324_1bvr265618.html

(2) BVerfG (2021). Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich. Zuletzt aufgerufen am 05.05.2021 unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html

(3) Hausfather, Z. (2019). Analysis: Why children must emit eight times less CO2 than their grandparents. Carbon Brief. Zuletzt aufgerufen am 05.05.2021 unter https://www.carbonbrief.org/analysis-why-children-must-emit-eight-times-less-co2-than-their-grandparents

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