15. Oktober 2070

 

Liebe Menschen aus der Vergangenheit,

Hallo, ich bin Charlotte aus der 5. Klasse und schreibe euch aus dem Jahr 2070. Heute möchte ich euch auch ein bisschen von meiner Umgebung erzählen.

Ich finde, bei uns sieht es sehr hübsch aus. Wenn ich mein Fahrrad aus unserem Innenhof heraushole, werfe ich immer einen kurzen Blick auf die vielen Bäume, die dort wachsen. Daneben haben wir ein Beet mit Wildblumen. Dort summen auch viele Bienen, Schmetterlinge und andere kleine Insekten. Wenn ich dann mit dem Rad in die Schule fahre, komme ich an ganz vielen Parkanlagen vorbei. Manchmal hängen an den Bäumen auch Nistkästen. Sie hängen so, dass sie vor dem vielen Regen geschützt werden können. Oma sagt, dass die Natur ganz anders aussieht als früher. Sie meint, dass das daran liegt, dass es viele neue Pflanzen gibt, die besser mit dem veränderten Klima zurechtkommen. Generell sagt sie, heute sieht alles viel bunter aus, die vielen grünen Flächen in der Stadt gab es noch nicht, als sie jung war. (1)

Unsere Lehrerin hat uns in der Schule erklärt, dass es sehr wichtig ist, eine vielfältige Natur zu haben. Das wird auch Biodiversität genannt. Es bedeutet, dass in den vielen unterschiedlichen Ökosystemen jeweils viele Arten leben. Die Wildblumenwiese setzt sich aus unterschiedlichen Blumen zusammensetzt, während der Parkrasen nur aus einer Grassorte besteht. Außerdem heißt das, es soll innerhalb einer Art viele Varianten als genetische Vielfalt geben. Das klingt ein wenig kompliziert, bedeutet aber, dass innerhalb einer Art verschiedenes genetisches Material vorliegt. (2) Um möglichst viele Gene zu erhalten, gibt es ganz viele Genbanken. Dorthin haben wir neulich mit der Klasse einen Ausflug gemacht, das war sehr spannend! Man sammelt dort die Gene für die Kulturpflanzen und einige vom Aussterben bedrohte Wildpflanzen. (3) Was man nicht sammelt, sind die Gene der vielen Millionen anderen Wildarten. Die können nur in natürlichen Ökosystem erhalten werden.

Im letzten Jahr haben wir mit der Klasse ein großes Insektenhotel gebaut. Das ist ein Nistkasten oder Überwinterungskasten aus Naturmaterialien in das sich ganz viele unterschiedliche Insekten einnisten können. (4) Es ist sehr wichtig, den Insekten ein Zuhause zu geben, denn sie sind sehr bedeutsam für uns Menschen. Zum Beispiel hätten wir ohne die Insekten viel weniger zu essen. Sie sind dafür zuständig, die Samen zu bestäuben, aus denen dann Obst und Gemüse wächst. (5) Unsere Lehrerin hat uns erzählt, dass früher, etwa zu eurer Zeit, die Bauern fast selbst dafür gesorgt hätten, dass sich die Ernten verschlechterten. Es wurde viel zu viel gedüngt, was wie ein Gift für Bodenlebewesen ist. Dadurch wurden die Böden immer unfruchtbarer, was durch immer intensivere Landwirtschaft versucht wurde, zu verhindern. Doch dadurch wurde es immer schlimmer. Zum Glück ist das heute anders.

Im Frühjahr haben wir einen Ausflug auf einen Bauernhof in der Umgebung gemacht und der Landwirt hat uns erklärt, wie er Lebensmittel produziert, ohne dabei die Böden zu zerstören und Insekten zu schädigen. Er versucht, eine bestimmte Fruchtfolge einzuhalten und verschiedene Sorten abwechselnd zu pflanzen. Außerdem versucht er durch den Einsatz eines Verdunstungsschutzes Wasser zu sparen. Gleichzeitig nutzt er intelligente Systeme zur Wettervorhersage und Frühwarnsysteme für Veränderungen. (6) Dadurch ist nur noch sehr wenig Dünger notwendig. Der Bauer erzählte uns außerdem, dass dadurch die Selbstreinigungskräfte der Böden erhalten bleiben würden und somit die Gewinnung von Trinkwasser nicht so teuer und aufwändig ist. (7) Als er uns seine Felder zeigte, sahen wir zwischen den einzelnen Feldern Feldraine. Das sind schmale, mit gras- und krautartigen Pflanzen bewachsene Säume am Rand der Felder. Da sie als Lebensraum für wildlebende Tier- und Pflanzenarten dienen, sind sie bedeutsam für die Biodiversität. Der Bauer erzählte uns, dass er nicht versteht, warum die Menschen früher keine naturverträgliche Landwirtschaft betrieben haben.

In meiner Freizeit treffe ich mich besonders gerne mit meinen Freund*innen. Dann fahren wir gemeinsam in die Natur. Meine Mama findet das ganz toll. Sie sagt, dass das ganz wichtig für unsere gesunde Entwicklung und die Persönlichkeitsentwicklung ist. Denn die sinnliche Wahrnehmung, die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit werden gefördert. Ich finde es total spannend, welche tollen Vorbilder es in der Natur für uns Menschen gibt. Aus vielen Arten lassen sich Medikamente herstellen und vieles aus der Natur war schon Vorbild für die Entwicklung neuer Innovationen. (8) Bionik nennt es sich, werden Innovationen aus Vorbildern der Natur entwickelt. Das möchte ich später auch gerne mal machen!

Leider gibt es viele Arten, die in den letzten Jahrzehnten ausgestorben sind. Das lag unter anderem an der zunehmenden Zersiedelung der Landschaft, der intensiven Landwirtschaft und dem Verlust der Biotope. Mit dem Gesetz gegen Zweitwohnungen 2025 wurde der Bau unnötiger Straßen und die Versiegelung des Bodens zumindest gebremst. Stellt Euch vor, davor besaßen viele Menschen eine Ferienwohnung, die fast das ganze Jahr über leer stand. Heute geht das nicht mehr, und man fährt in gemeinsam genutzte Gebäude wie Hotels oder Pensionen. Oder eben auf Campingplätze. Das Artensterben wurde auch dadurch verursacht, dass es nicht allen Arten gelungen ist, sich an die veränderten Klimabedingungen anzupassen: die langen Hitzeperioden, die Trockenheit, die immer wieder von Starkregen unterbrochen wird. (9) Jedoch konnten einige Arten durch eine räumliche Veränderung überstehen. Andere Arten konnten sich durch ihre genetische Vielfalt an die veränderten Bedingungen anpassen. (10)

Wie sehr hätte die Biodiversität profitiert, wenn ihr in eurer Zeit den Klimawandel energisch genug bekämpft hättet. :-(

 

Bis irgendwann, Charlotte

 


(1) Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt o.J.: Um die Biodiversität zu fördern, ist die Renaturierung von versiegelten Flächen auch in urbanen Gebieten von besonderer Bedeutung.

(2) Europäisches Parlament 2020: Biodiversität ist die Bezeichnung für die Vielfalt von Leben in allen seinen Formen. Gemeint ist die Vielfalt der Arten, deren genetischen Variationen und das Zusammenspiel dieser Lebensformen in komplexen Ökosystemen.

(3) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2017: 18: Ex-situ-Maßnahmen dienen der Erhaltung von Pflanzenarten und -sorten sowie Tierarten und -rassen außerhalb ihrer natürlichen Lebensräume. Dazu gehören Lebendsammlungen und Genbanken. Die so in ihrer Existenz gesicherten genetischen Ressourcen stehen somit sowohl für die weitere Nutzung in Anbau und Haltung als auch für Forschung und Züchtung zur Verfügung.

(4) Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt o.J.

(5) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12: Ein Ersatz für die Bestäubung der Kulturpflanzen durch Insekten ist technisch nicht zu leisten.

(6) Umweltbundesamt 2020.

(7) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12: Je intakter die Selbstreinigungskräfte der Böden und Gewässer, desto einfacher und kostengünstiger ist die Gewinnung von Trinkwasser.

(8) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12f: In Deutschland basieren circa 50 Prozent der heute gebräuchlichen Arzneimittel auf Heilpflanzen beziehungsweise auf deren Inhaltsstoffen. Etwa 70 bis 90 Prozent der getrockneten pflanzlichen Stoffe werden heute immer noch wild gesammelt.

(9) Europäisches Parlament 2020: Der Rückgang der biologischen Vielfalt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch beschleunigt, was hauptsächlich auf die Aktivitäten des Menschen zurückzuführen ist. Landnutzungsänderungen, Verschmutzung und Klimawandel bedrohen die Biodiversität auf unserer Erde.

(10) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 11: Je höher die genetische Vielfalt ist, desto eher ist die Anpassungsfähigkeit der Arten an sich verändernde Umweltbedingungen, weil dann Teile einer Population in der Lage sind, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.

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