15. Oktober 2070

 

Liebe Menschen aus der Vergangenheit,

Hallo, ich bin Timo und schreibe euch aus dem Jahr 2070. Heute möchte ich euch auch ein bisschen von meiner Umgebung erzählen.

In unserer Stadt leben sehr viele Menschen. Viele Menschen mussten, wie meine Freundin Purabi aus Bangladesh, vor den Folgen der Klimaveränderungen aus ihren Ländern flüchten. (1) Deshalb wohnen sehr viele Menschen in europäischen Ländern und auch in unserer Stadt. Ich finde es toll, viele Leute zu kennen, die aus vielen unterschiedlichen Ländern kommen. Außerdem sagt meine Mama, steigt unsere Bevölkerungsanzahl immer weiter an. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen auf der Welt leben.  Deshalb wurden in unserer Stadt viele neue Häuser gebaut, damit die Neuankömmlinge auch ein Zuhause haben. Dadurch wird unsere Stadt immer größer. Mama sagt, früher fuhr man auf dem Weg zu Oma an ganz vielen Feldern, Wiesen und Wäldern vorbei. Wenn man heute mit dem Fahrrad zu Oma fährt, fährt man fast nur an sehr hohen Gebäuden entlang. Manchmal jedoch, gerade wenn es lange geregnet hat, kann ich Oma leider nicht besuchen. Denn um zu Oma zu gelangen, muss ich mit dem Fahrrad einen kleinen Fluss überqueren. Jedoch läuft der ganze Regen der Umgebung in diesen Fluss und wenn es zu viel geregnet hat, muss der Weg leider wegen Hochwasser gesperrt werden. Die Menschen, welche in den Häusern am Flussufer wohnen, haben im Erdgeschoss überschwemmte Wohnungen. (3)

Doch obwohl es so viel regnet, dass wir ständig Überschwemmungen haben, gibt es leider nicht so viel sauberes Wasser. Da durch die Bodenversiegelung weniger Wasser in den Boden gelangt, wird die Reinigung des Trinkwassers immer aufwändiger und teurer. Deshalb versuchen wir, so gut es eben geht, Wasser zu sparen. (4)

Leider sind viele Insekten ausgestorben, welche für die Bestäubung der Samen zuständig sind. Dadurch können nicht mehr so viele ertragreiche Obst- und Gemüsepflanzen auf den Äckern wachsen. (5) Jedoch steigt die Bevölkerungsanzahl immer weiter und in vielen Regionen der Erde ist es aufgrund der enormen Hitze, Starkniederschlägen und Überschwemmungen nicht mehr möglich, Nahrungsmittel anzubauen. (6) Was es nich gibt, ist sehr teuer. Deshalb müssen wir unseren Verbrauch von Lebensmitteln gut kalkulieren. Fleisch essen wir kaum noch. Für die Herstellung von Fleisch wird so viel mehr Wasser und Getreide benötigt, als wenn man das Getreide einfach so essen würde. Würde die Menschheit so viel Fleisch essen wie zu eurer Zeit, würden viele Menschen verhungern. (7) Aber auch so muss darauf geachtet werden, das Essen gerecht zu verteilen. Um das Wegwerfen von Lebensmitteln zu vermeiden, wurde eine Lebensmittelmüllsteuer eingerichtet. Dadurch wird versucht, der Verschwendung von den ohnehin nur wenig verfügbaren Nahrungsmitteln entgegenzuwirken.

Es wird auch gesagt, dass man selbst zu eurer Zeit schon wusste, dass ein zu warmes Klima nicht nur für Ackerpflanzen, sondern auch für unsere Bäume nicht gesund ist. Mama und Oma haben mir schon mal Bilder und Fotos von Wäldern gezeigt, wie sie zu eurer Zeit ausgesehen haben. Da habe ich gestaunt! So schön grüne und große Wälder habe ich noch nie gesehen, weil viele Baumarten durch die überhitzten, sonnigen und trockenen Sommer in unseren Breiten ausgestorben sind. (8) Das macht mich schon traurig. Und ich kann nicht wirklich verstehen, warum zu eurer Zeit nicht mehr gegen das Waldsterben getan wurde, wenn ihr schon darüber Bescheid wusstet.

Doch durch den stetigen Verlust der Biodiversität in den letzten Jahren kam es noch zu viel mehr Problemen. Ich habe euch ja schon erzählt, dass es meiner Oma aufgrund der Hitze und dem Smog in der Luft nicht so gut geht. Früher konnte man diese Symptome mit Medikamenten behandeln. Da aber viele Medikamente aus Pflanzen hergestellt werden, die wild gesammelt werden,(9) können diese Medikamente in nur noch sehr geringen Mengen produziert werden und sind deshalb oft ausverkauft. Viele Arten konnten sich nicht an die veränderten Umweltbedingungen in den letzten Jahren anpassen und sind deshalb leider ausgestorben. Das wirkt sich auf die Verfügbarkeit von Heilpflanzen genauso aus wie auf die Selbstreinigungskräfte der Böden, der Gewässer und der Luft. (10)

In der Schule haben wir uns auch mit dem Aussterben von Tieren beschäftigt. Unsere Lehrerin hat uns erzählt, dass der Eisbär schon nahezu ausgestorben ist. Der Grund dafür ist, dass er auf dem arktischen Meereis lebt und dort Robben fängt. Durch den Rückgang des Meereises und der Erwärmung der Weltmeere kann der Eisbär dort kaum noch Robben fangen. Dann muss er weite Strecken wandern oder an die Küste ziehen und dort um die wenige Nahrung kämpfen. Dafür benötigt er aber viel Energie und Ausdauer. Die wird bald überschritten sein, sodass der Eisbär dann komplett ausgestorben sein wird. (11) So geht es auch vielen anderen Tieren und Pflanzen, das finde ich sehr schade. Sie konnten sich nicht an die veränderten Umweltbedingungen anpassen, die der Mensch durch den Klimawandel verursacht hat. (12) Das stimmt mich ein wenig traurig. Und ich frage mich, wie lange kann sich die Menschheit sich noch anpassen kann. Wird es uns irgendwann auch nichtmehr geben?

Der Verlust der Biodiversität hat zu einigen Veränderungen geführt, die es euren Zeiten sicher noch nicht gab. Ich frage mich, wie hat die Welt wohl früher ausgesehen? Gehört ihr noch zu eine der Generationen, in denen noch wilde Pflanzen auf bunten Wiesen wuchsen und Insekten herumgeschwirrt sind? So wird es manchmal in alten Büchern meiner Oma beschrieben, ich kann mir das gar nicht vorstellen. Aber das muss sicher schön ausgesehen haben. Ich mag Tiere so gerne. Ich würde so gerne noch viel mehr Tiere sehen! Also falls ihr meinen Brief lest, hoffe ich, dass ihr die Natur um euch noch genießen könnt.

Ich schreibe euch bald wieder und berichte euch weiter von meinem Leben!

Tschüss und liebe Grüße

 

Timo

 


(1) Ward 2021: 198: Aktuell sind weltweit knapp 80 Millionen Menschen auf der Flucht, nicht nur vor den Auswirkungen des Klimawandels – aber allein im Jahr 2019 wurden 25 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen aus ihrer Heimat vertrieben. Durch die Auswirkungen des Klimawandels, die in direktem Zusammenhang mit Armut und Hunger stehen und tendenziell neue und bereits bestehende Konflikte fördern, könnte sich die Zahl der Klimaflüchtlinge bis 2050 auf mehr als 140 Millionen Menschen erhöhen.

(2) Post 2019. Siehe auch: United Nations 2019: 34-56.

(3) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 17f: In Deutschland ist vor allem die Gefährdung (Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Aussterbens) von Arten sowie die Beeinträchtigung oder Zerstörung von Lebensräumen ein erhebliches Problem, mit dem gleichzeitig eine Verarmung und Nivellierung von Natur und Landschaft einhergeht. Durch menschliche Aktivitäten (zum Beispiel Intensivierung der Landnutzung, Nutzungsänderungen, Flächenversiegelung und -zerschneidung, stoffliche Einträge) wurde in den vergangenen Jahrzehnten die Artenvielfalt beeinträchtigt. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sind auf Grund von Bestandseinbußen heute gefährdet und eine Reihe von Arten ist bereits regional oder bundesweit ausgestorben. Neben direkte Flächenverlusten sind viele Lebensraumtypen auch durch qualitative Degradierung (zum Beispiel Eutrophierung, Veränderung des Wasserhaushalts) und durch zunehmende Isolation bedroht.

(4) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12: Natur liefert Leistungen, die ohne sie mit erheblichem Aufwand und zu sehr hohen Kosten technisch gelöst werden müssten. Je intakter die Selbstreinigungskräfte der Böden und Gewässer, desto einfacher und kostengünstiger ist die Gewinnung von Trinkwasser.

(5) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12: Technisch überhaupt nicht zu leisten ist ein Ersatz für die Bestäubung der Kulturpflanzen durch Insekten.

(6) Umweltbundesamt 2013: 21ff.

(7) Vanham et al. 2013: 4: This shows, that the largest reductions in the WFcons can be made by changing diets.

(8) Lebsanft 2020: Insbesondere Fichten sind durch die steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels gefährdet. Im Naturpark Harz, der besonders stark vom Baum- und Waldsterben betroffen ist, gab es schon im Jahr 2020 keine Fichte mehr, die älter als 60 Jahre war. Die abgestorbenen Stämme werden zudem Brutstätten für sich immer weiter vermehrende Käferplagen. Der Wald wird zumindest stark umgebaut werden müssen, wenn Deutschland auch in Zukunft so waldreich sein soll wie heute (Gutsche et al 2018).

(9) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 12f: In Deutschland basieren circa 50 Prozent der heute gebräuchlichen Arzneimittel auf Heilpflanzen beziehungsweise auf deren Inhaltsstoffen. Etwa 70 bis 90 Prozent der getrockneten pflanzlichen Stoffe werden heute immer noch wild gesammelt.

(10) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007: 11: Je höher die genetische Vielfalt ist, desto eher ist die Anpassungsfähigkeit der Arten an sich verändernde Umweltbedingungen ? Versicherungshypothese: 1. Teile einer Population sind in der Lage, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen; 2. Möglichkeit der unterschiedlichen Reaktion auf äußere Störungen und Änderungen der Umweltbedingungen; 3. Möglichkeit, dass sich zwei Arten eines Ökosystems funktionell decken.

(11) Molnár et al. 2020: 732-738.

(12) Europäisches Parlament 2020.

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