ich bin Rebecca. Ich bin zehn Jahre alt und wohne in Berlin. Das ist die Hauptstadt Deutschlands. Ich glaube, dass sich in den letzten Jahrzehnten ziemlich viel verändert hat.
Soweit ich es weiß, haben wir heute ein „größeres Bewusstsein“ (so nannte meine Lehrerin das) für den Klimaschutz, als ihr es noch hattet. Das lag sicherlich auch daran, dass die Folgen des Klimawandels euch noch nicht so betrafen wie uns, aber nicht nur: Zwar haben wir jetzt etwas regnerischere Winter und heißere Sommer als ihr, aber wir haben auch Institutionen, die uns heute helfen, dem Klimaschutz in der Politik eine Stimme zu geben.
Eine dieser Institutionen ist der Bürgerrat Klima, der aus ausgelosten Menschen besteht. Über den weiß ich einiges, weil mein Papa letztes Jahr Mitglied war! Insgesamt waren 160 Leute darin, die sich über mehrere Monate darüber unterhalten haben, wie Deutschlands Klimaziele erreicht werden könnten. Wichtig dabei ist: Mein Papa ist kein Politiker, sondern Architekt – es waren also Bürger*innen wie eure Eltern und meine Eltern und irgendwann auch ihr und ich, die sich unterhalten haben und sich Gedanken machten.
Der Bürgerrat tagte zum ersten Mal im Frühjahr 2021, (1) also in einem Bundestagswahljahr, und erarbeitete tolle Vorschläge. Begleitet von Wissenschaftler*innen nahm der Bürgerrat 76 Empfehlungen an, wie Deutschland seine Klimaziele aus dem Paris-Abkommen von 2015 erreichen könnte. (2) Und schon waren echte Vorschläge von einfachen Bürger*innen in der großen Politik und bestimmten danach die Gesetzgebung! Das zeigt das Potenzial eines solchen Gremiums auf. In der kommenden Legislaturperiode wurde dann beschlossen, dass es auf Dauer Bürgerräte, mit immer wieder neu ausgelosten Menschen, geben soll.
Ebenfalls sehr wichtig war das Verfassungsgerichtsurteil im selben Jahr – 2021 –, als die Richter*innen schrieben, dass ihr bis 2050 nicht mehr verbrauchen durftet, als euch zustand, sodass ihr sparen musstet. (3) Dabei ging es um das gesamte CO2-Budget, das Deutschland noch verbrauchen darf. Dieses ist heute, 2070, natürlich bei Null, denn wir leben ja klimaneutral. Eigentlich, das muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich mich immer gefragt, warum ihr glaubtet, so viel CO2 verbrauchen zu dürfen, mit euren Flugreisen und euren Riesen-Autos? Brauchte es wirklich erst ein Gerichtsurteil, um zu verstehen, dass das ungerecht war? Aber ich höre auf zu schimpfen. Wichtig ist nur, dass seit damals viele Richter*innen zugunsten des Klimas und gegen den Egoismus entschieden haben.
Wir haben aber noch etwas anderes, etwas, das ihr noch gar nicht kanntet: den Zukunftsrat. Da sitzen Wissenschaftler*innen drin und beraten sich über Gesetze, die das Parlament beschließen sollte.
Im Jahr 2021 (also zu eurer Zeit) gab es schon viele verschiedene Gremien, die sich um die Belange der künftigen Generationen kümmern sollten. (4) Der Zukunftsrat, den wir heute haben, hat aber sehr viel mehr Macht als diejenigen, die ihr kanntet. Unser Zukunftsrat kann Gesetze einbringen, (5) das bedeutet: Zusätzlich zur Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat (die durften auch bei euch schon Gesetze vorschlagen) kann das nun auch der Zukunftsrat. (6) Dadurch sind seitdem viel mehr klimaschützende Gesetze eingebracht worden als zu eurer Zeit, denn es ist ja gerade die Aufgabe des Zukunftsrats, unsere Gesellschaft für die Zukunft zu wappnen. Die Gesetzentwürfe kamen dann in die Erste Lesung, so wie andere eingebrachte Gesetze auch.
In der letzten Stunde unseres Politikunterrichts hatten wir eine sogenannte offene Runde, das heißt: Unsere Lehrerin hat uns die Frage gestellt: Wie ist das Verhältnis von Bundesrat, Bundestag, Regierung, Verfassungsgericht, Zukunftsrat und Bürgerrat untereinander und wie arbeiten die sechs zusammen? Diese Frage war auch der Grund, warum ich diesen Brief schrieb. Ich muss zugeben, ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht und den anderen zugehört, konnte aber meine eigene Antwort erst am Ende der Stunde geben:
Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung arbeiten noch ähnlich wie zu Eurer Zeit, hier muss ich wohl nichts erklären. Ich gehe mal auf die drei Gremien ein, die eine neue Rolle haben oder neu hinzugekommen sind. Der Zukunftsrat besteht aus Expert*innen, die sich mit Fragen einer generationengerechten Zukunft auskennen und wissen, welche neuen Gesetze für eine Zukunft sorgen könnten, in der alle gut leben können. Er ist proaktiv angelegt und kann die Initiative ergreifen und Gesetze ins parlamentarische Verfahren einbringen. Der Bürgerrat berät permanent und kommentiert den status quo und neu eingebrachte Gesetze, egal ob sie nun vom Bundestag bzw. der Bundesregierung, dem Bundesrat oder dem Zukunftsrat kommen. Der Bürgerrat besteht aber nicht aus Expert*innen und formuliert Kritik oder eigene Vorschläge nicht in juristischer Sprache. Er achtet einfach darauf, wenn zu wenig auf die Belange der Bürger*innen Rücksicht genommen wird. Das Bundesverfassungsgericht ist reaktiv und kann erst nachträglich eingreifen, wenn Gesetze letztlich doch nicht gut gemacht wurden. Dann erklärt es sie für ungültig und fordert die Politik auf, bessere Gesetze zu machen.
(1) Vgl. Bürgerrat 2021a.
(2) Die einzige abgelehnte Empfehlung war die Einführung der City-Maut in Städten (mit 51 zu 49%). Alle Ergebnisse und die Zusammenfassung sind unter Bürgerrat 2021b zu finden.
(3) Bundesverfassungsgericht 2021.
(4) Institutionen aus der Gegenwart, die im weitesten Sinne als Vertretung künftiger Generationen gelten können, sind der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der Sachverständigenrat für Umweltfragen sowie der Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen. Hinzu kam 2019 der Expertenrat für Klimafragen, oder Klimarat. Er kontrolliert auf Basis des Bundes-Klimaschutzgesetzes, ob die Treibhausgasemissionen aus verschiedenen Sektoren mit den nationalen und europäischen Zielen im Klimaschutz übereinstimmen.
(5) Dafür müsste in Art. 76 Abs. 1 Grundgesetz («Gesetzesvorlagen werden beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht») die Aufzählung um die Wörter «durch den Zukunftsrat» ergänzt werden. Zudem müsste die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags entsprechend verändert werden.
(6) Für konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung eines solchen Zukunftsrats, vgl. Tremmel 2018 und SRzG 2020.
Laufe mit uns für zukünftige Generationen!