Nach den Ereignissen von Fukushima 2011 vollzog die Regierung Merkel eine Kehrtwende und beschloss den Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2022. Hierdurch ist aber für die zukünftige Generation noch lange nicht alles geklärt. Es muss ein unterirdisches Endlager gefunden werden, welches für einen extrem langen Zeitraum sicher ist. Die zukünftigen Generationen müssen die Möglichkeit haben den Atommüll umzulagern, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Ihnen darf allerdings auch nicht die Pflicht auferlegt werden den Müll umlagern zu müssen, nur weil wir, die heutigen Generationen, ein schlechtes Endlager auswählen. Im deutschen Standortauswahlgesetz wird die Zeitspanne, für die der Atomabfall verwahrt werden muss, mit 1 Million Jahre angegeben. Wie viele zukünftige Generationen sind also betroffen? Das kommt darauf an, wie man den Begriff „Generation“ definiert. Erstens werden unter „Generationen“ Altersgruppen verstanden, indem man z. B. von der jungen, mittleren und älteren Generation spricht, also von den 0-30-jährigen, den 31-60-jährigen und den Über-60-jährigen. Nach dieser Definition wechseln Generationen also alle 30 Jahre. Folglich wären 33.333 künftige Generationen von der „Endlagerproblematik“ betroffen.

Zweitens wird das Wort „Generation“ verwandt, um die Gesamtheit der heute lebenden Menschen zu bezeichnen. In diesem Sinn lebt jeweils nur eine Generation zur gleichen Zeit. Unterstellt man, dass die heutige Lebenserwartung von 80 Jahren konstant bleibt (vermutlich wird sie in der Zukunft weiter ansteigen, aber über das Ausmaß sind keine fundierten Prognosen möglich), so wechseln Generationen alle 80 Jahre. Es wären also von der „Endlagerproblematik“ rund 12.500 künftige Generationen betroffen.

So oder so ist das ein unvorstellbar langer Zeitraum. Den heute Lebenden steht eine riesige Zahl von Menschen gegenüber, die nach ihnen leben werden. Für Roman Krznaric, den Autor des Buches „The Good Ancestor“ stehen die Interessen der heute Lebenden – rund 8 Milliarden Menschen – den Interessen aller künftiger Lebenden – allein in den nächsten 50.000 Jahren rund 6.750 Milliarden Menschen – gegenüber.


Eine unglaublich folgenreiche Entscheidung

Nun wird deutlich, für wie viele zukünftige Menschen die heute lebende Generation eine Festlegung trifft, wenn sie über ein Endlager entscheidet. Die Entscheidung über ein Endlager soll ja nicht alle 100 Jahre neu getroffen werden, sondern einmal „für alle Zeit“. Bei dieser Entscheidung müssen auch die Stimmen der Menschen gehört werden, die heute jung sind. Die Jugend ist nicht besser als heutige Erwachsene in der Lage, sich in die Gefühle und Interessen all der ungeborenen Menschen hineinzuversetzen. Aber junge Menschen haben dennoch – wie künftige Generationen – ihr gesamtes Leben (oder zumindest den Großteil davon) noch vor sich und rufen daher allein durch ihre Präsenz die zukünftigen Generationen immer wieder in Erinnerung. Außerdem ist die Jugendbeteiligung bei der Endlagerfrage geboten, weil bei einer so unglaublich folgenreichen Entscheidung möglichst viele Perspektiven einbezogen werden sollten. Zwar ist eine Anforderung an das Endlager, dass eine Rückholbarkeit der Abfälle für die Dauer der Betriebsphase eine Bergung für 500 Jahre nach dem geplanten Verschluss des Endlagers möglich sein soll. Doch beliebig reversibel ist die Endlagerentscheidung nicht. Voraussichtlich trifft eine einzige Generation eine Entscheidung , die für sehr viele kommende Generationen verbindlich ist! Hier müssen unbedingt alle Altersgruppen innerhalb der heutigen intertemporalen Generation ihren Input liefern können. Jugend- und Nachwuchsquoten im politischen und im vorpolitischen Raum haben grundsätzliche Vorteile:

- die Gegenwartsorientierung wird abgemildert, die Zukunftsorientierung gestärkt

- Frische Ideen und Lösungsansätze werden einbezogen

- Interesse und Beteiligungsbereitschaft wird gesteigert

- die Akzeptanz von späteren Entscheidungen wird verbessert

Es ist zurecht der Abschnitt „Diversität“, in dem in der Geschäftsordnung des „Forums Endlagersuche“ die Beteiligung der Unterdreißigjährigen festgeschrieben wird. Hinzu kommt, dass die Jugend unvoreingenommener ist und daher einem wissenschaftsbasierten Verfahren aufgeschlossener sein dürfte, zumindest im Vergleich zu etablierten Landes- und Kommunalpolitiker:innen. Während letztere in jedem Abschnitt der trichterförmig angelegte Standortsuche versucht sein könnten, Politik nach dem NIMBY-Prinzip machen, ist die Jugend von solchen Zwängen befreit. Bindet man sie frühzeitig ein, dann besteht die Hoffnung, dass sie in 10 oder 20 Jahren, wenn sie in die Schlüsselpositionen der Gesellschaft aufgerückt sind, kompetent als Multiplikator:innen agieren können.

Zum Weiterlesen:
Roman Krznaric (2020): The good ancestor: how to think long term in a short term world. London.

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (2019): Nachwuchsquoten in Parteien und Parlamenten. https://generationengerechtigkeit.info/wp-content/uploads/2019/02/PP-Nachwuchsquoten_2019.pdf

 

 

Dieses Projekt wird gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autorinnen und Autoren.